Die erste Person, auf die Georg nach dem Öffnen der Tür seiner Wohnung stieß, war seine Tochter. Überrascht sah Lea ihn einen Moment an und ihre großen, runden Augen weiteten sich vor Schrecken. Er schaffte es nicht einmal, ein Wort zu sagen, als sie sich auf den Fersen drehte und aus dem Raum rannte. Georg begann langsam das Ausmaß des Übels, zu erkennen, dass er getan hatte. Er ging zu Mirjam. Sie packtet ihre und Leas Sachen in einen Koffer. Mirjam hatte nicht vor, vor ihm wegzulaufen, im Gegenteil, sie sah ihm verächtlich, aber auch immer noch ungläubig direkt in die Augen.
„Gehst du weg?“
„Ja. Und ich nehme Lea mit“, erwiderte Mirjam und warf ihm einen harten Blick zu. „Und versuche nicht, mich aufzuhalten.“
„Wie lange werdet ihr weg sein?“
„Ich weiß noch nicht, wohin und für wie lange. Hauptsache, weg von hier.“
Georg nickte nur, dass er verstand.
„Lisa hat mir erzählt, was du für mich getan hast …“ Georg bezog sich auf Mirjams Rede zu seiner Verteidigung und die Tatsache, dass sie die Rolle des »Grundes« für die Schlägerei übernommen hatte. „Ich danke dir, Mirjam!“
„Nicht nötig. Ich habe es nicht für dich getan, ich habe es für meine Tochter getan“, beendete sie kalt.
Mirjam drehte ihm den Rücken zu und packte weiter ihre Koffer. Es herrschte eine Zeit lang eine unbehagliche Stille. Schließlich brach Mirjam das Schweigen und wandte sich wieder an Georg.
„Du hast mir das Sorgerecht für mein Kind entzogen, weil du dachtest, ich würde sie als Mutter gefährden. Schau, was mit unserer Tochter passiert ist, seit du das alleinige Sorgerecht für sie innehast. Vor einer Woche wäre sie fast unter die Räder von Lorenz’ Auto gefallen. Und jetzt …“, hielt Mirjam einen Moment inne, weil selbst sie Schwierigkeiten hatten, darüber zu sprechen. „Lea fragt ihren Opa, ob ihr Papa Juden hasst … und hasst Papa sie auch?“
Georg schluckt Mirjams bittere Worte. Sie sind nur eine Ergänzung zu dem Entsetzen in Leas Augen bei seinem Anblick. Mirjam endet gnadenlos:
„Schau dich an, Georg, und beantworte selbst, wer du für deine Tochter bist!“
Mirjam dreht zurück und packt weiter die Koffer. Georg versteht, dass er jetzt gehen sollte. Er hat nichts zu rechtfertigen. Er lässt Mirjam allein.