Im Alten Kino und Whisky. Schmetterling, oder das erste Treffen von Mila und Mohammed.

[…] Dann erschien Florian in der Tür.

„Es ist also wahr.“

„Was denn?“

„Dass du gekommen bist. Ich habe mir diesen Moment so oft vorgestellt, auf so viele verschiedene Arten, dass es in der längsten Seifenoper der Fernsehgeschichte nicht genug Bänder für all diese Fantasien geben würde … Mach es dir bequem.“

Karin setzt sich auf einen Stuhl.

„Du wohnst jetzt bei Georg.“

„Ich mag meine Wohnung nicht mehr. Wie geht es Mila?“

„Sie hat sich in ihr Schneckenhaus zurückgezogen. Und sie möchte keine Hilfe.“

Florian nickt. An der Grimasse auf seinem Gesicht konnte man erkennen, dass ihn diese Nachricht sehr beunruhigte.

„Wie steht es mit dir? Geht es dir gut in der Hubers Alp?“

„Sehr sogar. Aber ich bin nicht hergekommen, um über Mila zureden oder darüber, wie ich in der Hubers Alp lebe.“

„Also worüber?“

„Ich war bei deinem Arzt.“

„Was hat er dir gesagt – dass ich nächstes Jahr den Allgäu-Marathon laufen werde, wenn ich es versuche?“

„Du hast noch nicht einmal mit der Rehabilitation angefangen.“

„Mit dem Sport bin ich fertig – ich bin ein Krüppel.“

„Ich erkenne dich nicht wieder. Früher hast du nie aufgegeben.“

„Gibt es noch etwas Zugewinnen?“, fragte Florian in einem ungewollt etwas provokanten Ton.

„Es gibt immer etwas, das vor uns liegt.“

„Kein Interesse.“

„Woran bist du interessiert?“

Karin stand auf und ging zum Schreibtisch hinüber, nahm das Whiskyglas in die Hand und öffnete dann den Schreibtischschrank, in dem die halb fertige Flasche stand.

„Das hier?“

„Die perfekte Ergänzung zum Anschauen eines Films, der keine Fortsetzung mehr erleben wird. Bild für Bild.“

„Du machst es mir nicht leicht, das zusagen, was ich hier sagen wollte.“

„Ich helfe dir. Du willst die Scheidung.“

„Im Moment spielt es keine Rolle, was ich will. Man kann nicht ins Gestern zurückkehren, aber man muss die Konsequenzen tragen.“

„Im Moment spielt es keine Rolle, was ich will. Man kann nicht ins Gestern zurückkehren, aber man muss die Konsequenzen tragen.“

„Tut mir leid, Karin. Es tut mir wirklich leid, dass ich alles vermasselt habe.“

„Florian, ich bin nicht gekommen, um dir Vorwürfe zu machen. Tatsache ist, dass unsere Bemühungen, ein Kind zu bekommen, erfolgreich waren … und in ein paar Monaten werden wir wieder Eltern sein.“

[…]

»Schmetterling.«
Mila sagte den ganzen Weg über kein Wort. Mohammed drängte sich dem Mädchen mit keinem Gespräch auf. Im Gegenteil, er fühlte sich wie ein Eindringling, wandte sein Gesicht zum Seitenfenster und beobachtete die vorbeiziehende Aussicht. Um Mila zu zeigen, dass ihn ihr Schweigen nicht rührte, begann er mit der Zeit sogar eine Melodie zu pfeifen. Da flog ein Schmetterling durch das offene Fenster herein. Zuerst saß es im Sonnenschirm vor dem Jungen, dann nahm es auf seiner linken Schulter Platz. Der Junge folgte ihm mit seinen Augen. Mila warf unwillkürlich einen Blick in den Frontspiegel. Der Schmetterling flog auf die Rückscheibe zu, Mohammed drehte seinen Kopf nach hinten. Das bunte Insekt drehte sich wieder nach vorn und hockte diesmal auf dem Kopf des Mädchens, direkt neben der goldenen Schnalle, die ihr kastanienbraunes Haar hochhielt. Der Junge hob seine linke Hand auf die Höhe ihres Kopfes. Mila wurde augenblicklich bewegungslos, am ganzen Körper angespannt und ihre Lippen zusammengepresst. Als sie versuchte, ihren Blick auf die Straße zu richten, senkte sie unwillkürlich den Kopf leicht und streckte den Hals nach vorn. Der Schmetterling schwebte aus ihrem Haar und ließ sich diesmal auf ihrem entblößten Nacken nieder. „Fass mich an, und wir landen im Graben!“, dachte sie, als der Junge seine andere Hand hob und die beiden Hände kurzzeitig zu einer Linse verband, als wolle er ein Foto von dieser lebenden »Tätowierung« auf dem Hals des Mädchens machen. Der Schmetterling erhob sich schließlich von ihrem Hals und flog durch das offene Glas hinaus. Mila entspannte ihre zusammengepressten Lippen und atmete. Der Junge führte den Schmetterling mit seinen Augen weg, senkte die Arme und stützte die Hände auf seinen Oberschenkeln ab. Dann wandte er seinen Kopf wieder dem Seitenfenster zu. Als sie vor dem Gasthaus standen, ergriff er das Wort:

„Mila – ein schöner Name. Das bedeutet vermutlich nett, oder?“

Mila hat nicht reagiert.

„Eine meiner Schwestern ist Layla, was auf Arabisch dunkle Schönheit bedeutet. Es steht mir nicht zu, über die Schönheit meiner Schwester zu urteilen. Tatsache ist, dass Layla goldenes Haar und einen blassen Teint hat. Aber das ist die Sache mit den Namen – sie sind nicht immer zutreffend.“