[…] „Ich werde endlich herausfinden, wer dieses Mädchen ist?“
Mutter & Sohn
„Mama!“
„Du willst deine Mutter betrügen?“
„Ich bin mit keinem Mädchen zusammen. Das ist Haram.“
„Aber es gibt ein.“
„Da gibt es. Sie hat rotbraunes Haar, grüne-braune Augen und viele Sommersprossen.“
„Und sie ist sehr hübsch.“
„Sehr, sehr.“
„Hat die Miss Sehr-sehr einen Namen?“
„Mila Leitner.“
„Leitner?“
„Mm. Sie ist die Tochter des Bruders des Chefs.“
„Du zielst hoch.“
„Sie wohnt aber nicht im Gasthaus, sondern weiter oben auf der Alm bei ihrem Großvater und ihrer Mutter. Sie besucht den Leitnerhof nur gelegentlich und nimmt mich überhaupt nicht wahr.“
„Und damit sie dich bemerkt, hast du beschlossen …“
„Mir Arme und Beine zu brechen.“
„Bevor du dir beim Tanz die Knochen brichst, versuche, sie kennenzulernen und zu entscheiden, ob es sich lohnt. Lade sie irgendwo ein. Vielleicht ein Kino?“
„Aber welcher Film, damit es sich nicht wieder als Haram herausstellt?“
„Ein Film, zu dem du deine Schwestern einladen würdest. Aber auch ein, der etwas über dich selbst sagt. Mila wird ihn aus zwei Blickwinkeln beobachten. Was willst du ihr über dich erzählen und wie siehst du sie.“
„Ich werde ihn für den nächsten Ramadan wählen!“
„Aber du wirst es irgendwann finden.“
„Nächste Woche wird es im Allgäu eine Pantomime geben.“
„Versuch es.“
„Vielleicht findet sie es keine gute Unterhaltung für die Frau eines Bauers?“
„Mila ist Bauers Enkelin, wie ich richtig verstanden habe“, sagte Yasmin mit dem richtigen Gesicht. „Nur, weil du andere Interessen hast, heißt das nicht, dass du dich nicht als jemand erweisen können, der es wert ist für sie, getroffen zu werden.“
„Mama, sie ist keine Muslimin.“
„Ich nehme an, dass sie es nicht ist. Allerdings wird nicht jeder, der als Muslim stirbt, als solcher geboren.“
„Mila wird niemals Muslimin.“
„Es ist genug, dass sie Christin ist. Immerhin ist das Wort „nie“ gut für die Zweifler. Und mein Sohn wurde nicht zu Zweifler erzogen.“
„Zeitgenössischer Tanz und Gesang sind ihre Leidenschaft. Und das ist Haram nach dem Koran. Das falsche Mädchen mit den falschen Interessen. Ein Muslim hat einem Mädchen, das sich für diese Art von Kunst interessiert, nicht viel zu bieten. Ein hoffnungsloser Fall.“
„Wenn sie hoffnungslos wäre, hättest du heute keines Muskelkaters.“
„Ich bin verrückt.“
„Du hast dich einfach verliebt.“
„Was soll ich jetzt damit tun?“
„Überwinde die Hindernisse. Dein Vater war auch kein Muslim, als ich habe ihn getroffen. Als ich bin vor 20 Jahren nach Deutschland gekommen, haben mich deine Großeltern nicht akzeptiert, und deine Tanten haben mich zunächst aus Mitleid geduldet. Ich war ein einsamer und nutzloser Fremder. Dein Vater hat nur so viel wie nötig mit mir gesprochen, weil er angenommen hatte, dass jedes Gespräch, das über das Notwendige hinausging, für mich unangemessen wäre.“
„Sogar über das Wetter?“
„Auch nicht. Also wusste ich nicht, was er wirklich über mich dachte. Von den drei seiner Schwestern hat nur deine Tante Christina ziemlich viel Englisch gesprochen, und als sie hat uns zweimal pro Woche besucht, war dies das einzige Mal, dass ich mit jemandem sprechen konnte. Wie Lichter im Tunnel habe ich deine Brüder hierherkommen gewartet. Ich habe gedacht – sie haben ihre Mutter verloren, also werde ich auf sie aufpassen. Endlich wird mich hier jemand brauchen. Als sie haben aufgetaucht, wollte keiner von ihnen etwas mit mir zu tun haben. Also habe ich allein in der Wohnung oben gesessen und habe mich oft gefragt, warum dein Vater mich hierher mitgebracht hatte. Es war eine hoffnungslose Situation. Und nächstes Jahr wird es 20 Jahre her sein, dass ich mit deinem Vater verheiratet bin. Was heute unmöglich ist, wird morgen Realität.“ […]